Banff, 27. Juni 2017 Kanada feiert in diesem Jahr seinen 150. Geburtstag. Besucher können sich in den historischen Eisenbahnhotels der Canadian Pacific Railway auf die Spuren der Geschichte und der ersten Touristen des Landes begeben. Es ist ein trüber Herbstmorgen irgendwo in den weiten Wäldern der kanadischen Rocky Mountains. Bärtige Männer in Anzügen und schwarzen […]

Banff, 27. Juni 2017

Kanada feiert in diesem Jahr seinen 150. Geburtstag. Besucher können sich in den historischen Eisenbahnhotels der Canadian Pacific Railway auf die Spuren der Geschichte und der ersten Touristen des Landes begeben.

Es ist ein trüber Herbstmorgen irgendwo in den weiten Wäldern der kanadischen Rocky Mountains. Bärtige Männer in Anzügen und schwarzen Zylinderhüten stehen auf matschigem Boden und warten auf das feierliche Zeremoniell. Einer der Männer, der Bankier Donald A. Smith, greift zum Hammer und rammt den letzten Nagel in die Holzschwelle. Geschafft. Die transkontinentale Eisenbahn ist fertig.

Nach schwierigen Bauarbeiten haben die Arbeiter der Canadian Pacific Railway am Eagle Pass in British Columbia soeben den Brückenschlag von Ost nach West und damit die Einheit des Landes vollendet. Es ist das Jahr 1885, und kaum eine historische Szene ist in Kanada so berühmt wie jene mit dem letzten Nagel.

Roberto Garito erzählt die Episode mit einer Inbrunst, als hätte sie sich erst gestern zugetragen. «Der letzte Nagel war wie die Geburtsstunde unserer Nation, denn er brachte die Siedler im Westen in den Schoß der kanadischen Familie», erklärt er das berühmte Schwarzweiß-Foto. Auch eine Nachbildung des Nagels hat er parat. Das «Ah» und «Oh» der Besucher ist nicht zu überhören.

Garito arbeitet als Gästeführer im «Banff Springs Hotel», einer Luxusherberge, die in besonderer Weise mit dem Nagel und den Gründerjahren Kanadas verwoben ist. Das Schlosshotel im Banff Nationalpark liegt nur ein paar hundert Kilometer vom Ort des Brückenschlags entfernt und gilt als das berühmteste von mehreren Eisenbahnhotels, mit denen die Canadian Pacific Railway nach der Fertigstellung der transkanadischen Strecke neue Siedler und Touristen in das Land bringen wollte.

«Einer der Bahnmanager hat damals gesagt: Da wir die grandiosen Landschaften nicht exportieren können, müssen wir die Menschen eben importieren», erzählt Garito auf seinem einstündigen Rundgang durch das Hotel, das mit seinen Türmchen und Erkern einem schottischen Schloss ähnelt. Dazu passt Garitos Outfit: Er trägt eine karierte Krawatte, einen grünen Schottenrock und polierte Stiefel.

Seine Touren sind gefragt, denn Kanada feiert in diesem Jahr 150. Geburtstag, und die legendären Eisenbahnhotels wie das «Banff Springs» verkörpern die Geschichte des Landes wie nur wenige Monumente. Mehr als ein Dutzend Chalets, Resorts oder Stadthotels hatten die Bahnmanager zwischen Atlantik und Pazifik bauen lassen, um die Vision einer Nation, die von Küste zu Küste reicht, zu verwirklichen. Manche Hotels wurden geschlossen, viele aber stehen noch und gelten heute als Ikonen Kanadas.

Das «Banff Springs» mit seinen 764 Zimmern, dem 27-Loch-Golfplatz sowie elf Restaurants und Bars gehört wie viele der Eisenbahnhotels heute zur Fairmont-Kette und gilt als eines der am meisten fotografierten Hotels der Welt. Millionen Besucher reisen jedes Jahr in die Bergwelt der Rocky Mountains, um von der Hotelterrasse aus die schneebedeckten Gipfel, kristallklaren Seen und rauschenden Wasserfälle zu bestaunen. Oder um in den heißen Quellen am Fuße des Sulphur Mountain zu baden.

Auch andernorts in Kanada lebt die Tradition der Eisenbahnhotels fort. In Québec City im Osten checkten die ersten Trans-Kanada-Reisenden einst im majestätischen «Chateau Frontenac» ein, bevor sie sich auf ihre 5500 Kilometer lange Bahnfahrt über den Kontinent machten.

Das Hotel, das 1893 eröffnet wurde, thront bis heute wie eine Trutzburg über der historischen Altstadt von Québec, die zum Weltkulturerbe gehört. Ein wenig ähnelt es einem Schloss an der Loire. Der prächtig verzierte Ballsaal drinnen ist dem Spiegelsaal aus dem Schloss Versailles nachempfunden. Auch sonst sind rund um das 611-Betten-Hotel die historischen Parallelen zum kolonialen Mutterland Frankreich allgegenwärtig

«Im Umkreis von wenigen Minuten rund um das Hotel gibt es so viel kanadische Geschichte zu erleben wie nirgendwo sonst», erzählt Tourguide David Mendel, während er seine Gäste auf die Terrasse Dufferin vor das Hotel führt. Hier steht die Statue von Samuel de Champlain, der Québec 1608 gründete. Ein paar Schritte weiter gibt es das Schlachtfeld Plaines d’Abraham zu sehen, auf dem die Engländer die Franzosen 1759 schlugen und das Ende der französischen Kolonialzeit in Nordamerika einleiteten.

Im Hotel selbst rühmt man sich der vielen prominenten Gäste, die hier abgestiegen sind. «Hier wimmelte es nur von VIPs», erzählt Mendel. Winston Churchill und Theodore Roosevelt stimmten 1943 unter dem ikonischen grünen Hoteldach ihre Strategien im Zweiten Weltkrieg ab. Auch die britische Königin Elizabeth II machte der Herberge ihre Aufwartung. Alfred Hitchcock und Paul McCartney nächtigten dort.

Nach einigen Tagen Bahnfahrt in den holzvertäfelten Salonwagen der Canadian Pacific Railway über Toronto, Winnipeg und Calgary erreichten Trans-Kanada-Reisende schließlich das andere Ende des Kontinents am Pazifik. Manche stiegen dort in die Dampfschiffe der Canadian Pacific Railway um, die sie zum Beispiel bis nach Hongkong brachten. Damals war es eine Reise quer durchs britische Empire.

Heute bedient die Passagiergesellschaft Via Rail mit ihrem Zug «The Canadian» die Strecke bis nach Vancouver – allerdings auf einer nördlicheren Route über Edmonton und Jasper. Die Hotelkette Fairmont hat unter dem Stichwort «The Great Canadian Railway Adventure» zum 150. Geburtstag Kanadas Sonderreisen quer über den Kontinent entlang der historischen Bahn-Routen aufgelegt.

In Vancouver angekommen wurden Gäste gewöhnlich von Männern wie David Reid empfangen. Reid arbeitet als Concierge im «Hotel Vancouver», dem ältesten Stadthotel der Canadian Pacific Railway in Kanada. Eröffnet wurde es zwei Jahre nach dem historischen Brückenschlag, und nach mehreren Umzügen beherbergt es seine Gäste heute in der Innenstadt gegenüber der Vancouver Art Gallery.

Das im französischen Renaissance-Stil gehaltene Gebäude war einst das höchste der Stadt, hat ein grünes Dach, dazu 557 Zimmer, Treppenaufgänge aus Marmor und elegante Ballsäle. «Das «Hotel Vancouver» gehört zur Identität der Stadt wie Chinatown oder der Stanley Park und hat zum Aufstieg Vancouvers beigetragen», erzählt Reid, während er seinen Gästen im hauseigenen Restaurant «Notch 8» frischen Tee eingießt. Hier wird heute ein Klassiker der Bahnreisen von einst serviert: ein britischer Afternoon Tea mit Earl Grey, Scones und feinen Tee-Sandwiches.

Die transkontinentale Eisenbahn hatte auch für Vancouver große Bedeutung. Nach dem Brückenschlag habe sich die Zahl der Bewohner innerhalb kürzester Zeit vervierfacht, erzählt Reid weiter. Dank der Bahn und ihren Hotels kamen immer mehr Immigranten in die Stadt – und mit ihnen später Touristen aus aller Welt. Heute besuchen jedes Jahr 10 Millionen Menschen Vancouver, und 20 Millionen Touristen aus dem Ausland bereisen Kanada. Dem letzten Nagel sei Dank.

Info-Kasten: Eisenbahnhotels in Kanada

Anreise: Lufthansa, Air Canada und Condor fliegen mehrere Ziele in Kanada direkt an, unter anderem Montréal, Toronto und Vancouver. Von dort gibt es Anschlüsse in den Rest des Landes. Alle drei Städte bieten auch Anschlüsse für Passagierzüge.

Reisezeit: Kanada lässt sich das ganze Jahr über erkunden. Die Temperaturen schwanken je nach Region stark. Generell sind die Sommer im Süden des Landes warm, die Winter sind meist lang und kalt.

Einreise: Bürger aus den EU-Staaten benötigen zur Einreise nach Kanada die neue elektronische Einreisegenehmigung eTA. Sie muss vor der Reise im Reisebüro oder online beantragt werden: http://www.cic.gc.ca/english/visit/eta-start-de.asp

Via Rail: Das Unternehmen bietet Fahrten auf Teilen der historischen Trans-Kanada-Route der Canadian Pacific Railway an. Der Zug «The Canadian» verbindet Toronto mit Vancouver und fährt im Winter zwei Mal, im Sommer drei Mal die Woche. Die Fahrt dauert knapp vier Tage. Die Strecke zwischen Québec City und Toronto wird mehrmals täglich befahren. Die Fahrtzeit beträgt zwischen acht und zehn Stunden (www.viarail.ca).

Fairmont Hotel & Resorts: Bahnfans können zum 150. Geburtstag Kanadas Sonderreisen mit dem «Canadian» inklusive Übernachtungen in den ehemaligen Eisenbahnhotels in Québec, Montreal, Ottawa, Toronto, Winnipeg, Jasper und Vancouver buchen. Das Programm «The Great Canadian Railway Adventure» ist flexibel buchbar. (www.fairmont.com/americas/canadian-railway-adventure)

Banff Springs Hotel: Führungen durch die historischen Räumlichkeiten des «Banff Springs» finden jeden Tag um 13.00 Uhr statt und sind für Hotelgäste kostenlos. Treffpunkt ist die Heritage Hall im ersten Stockwerk des Hotels. Dort werden auch viele historische Fotos und Artefakte aus den Gründerjahren gezeigt.

Chateau Frontenac: Cicerone Tours bietet im Sommer mehrmals täglich historische Hotelführungen in Englisch oder Französisch an. Sie dauern eine Stunde und kosten 17,40 Kanadische Dollar (rund 11,70 Euro) pro Person. Treffpunkt ist die Terrasse Dufferin vor dem Hotel. Im Untergeschoss gibt es eine Galerie mit Schautafeln zur Geschichte Québecs und des Hotels. (www.cicerone.ca/en/guided-tours/overview/)

Hotel Vancouver: Im «Hotel Vancouver» erinnert unter anderem das Restaurant «Notch 8» an die Zeit der großen Eisenbahnreisen. Frei übersetzt heißt der Name «8. Gang» – es war die höchste Geschwindigkeit, die ein Lokomotivführer zur damaligen Zeit fahren konnte. Heute ist das Restaurant auf Spezialitäten der Nordwestküste spezialisiert. Der klassische britische High Tea kostet 59 Dollar pro Person, Kinder zahlen die Hälfte. (www.notch8-dining.com/)

Informationen: https://de-keepexploring.canada.travel

Jörg Michel, dpa